Das Gedicht heißt "Der Bauer An seinen Durchlauchtigen Tyrannen" und stammt aus der Feder von Gottfried August Bürger, welcher zwar selbst kein Bauer sondern ein Amtsmann war, aber mit den Sorgen des einfachen Volkes sehr gut vertraut war.
Bürger klagt in diesem Gedicht die Allmacht und das Gottesnadentum des Adels an, indem er ein Mitglied des dritten und unteresten Standes die Stimme gegen seinen Fürsten erheben lässt.
Der Bauer
An seinen Durchlauchtigen Tyrannen
Wer bist du, Fürst, daß ohne Scheu
Zerrollen mich dein Wagenrad,
Zerschlagen darf dein Roß?
Wer bist du, Fürst, daß in mein Fleisch
Dein Freund, dein Jagdhund, ungebläut
Darf Klau und Rachen hau'n?
Wer bist du, daß durch Saat und Forst,
Das Hurra deiner Jagd mich treibt,
Entatmet, wie das Wild? —
Die Saat, so deine Jagd zertritt,
Was Roß, und Hund, und Du verschlingst,
Das Brot, du Fürst, ist mein.
Du Fürst hast nicht, bei Egg' und Pflug,
Hast nicht den Erntetag durchschwitzt.
Mein, mein ist Fleiß und Brot!
Ha! du wärst Obrigkeit von Gott?
Gott spendet Segen aus; du raubst!
Du nicht von Gott, Tyrann!
Gottfried August Bürger (1778)
Schritt 1: Das Gedicht verstehen
- Lese dir das Gedicht mehrere Male durch, bis du jedes Wort verstanden hast und dir die Sätze einleuchten. Lese auch gerne laut vor. Auf diese Weise bekommst du von Anfang an ein gutes Gefühl für das Reimschema und den "Ton" des Gedichtes.
- Schlage Wörter nach, die du nicht kennst.
- Suche nach Wörtern oder Sätzen, die ironisch klingen oder mehrere Bedeutungen haben könnten.
- Wo werden Gefühle ausgedrückt, Forderungen und Fragen gestellt?
- Sind die Zeilen durch Enjambements miteinander verbunden, haben sie einen Zeilen- oder Hakenstil?
- Schreibe schon während des Durchlesens deine ersten Notizen auf ein Schmierblatt.
Anwendung: Im Fall von "Der Bauer An seinen Durchlauchtigen Tyrannen" werden viele das Wort "durchlaucht" nachschlagen müssen. Auch, wenn man es kennt, die genaue Bedeutung ist den meisten Menschen nicht klar.
Nachdem du weißt, dass "durchlaucht" von dem Wort "durchleuchten" kommt und so viel bedeutet, wie "von Gott eingesetzt", könnte dir auch schon die erste Wiedersprüchlichkeit des Gedichts auffallen. Kann jemand, der von Gott (wir gehen hier von einem positiven Gottebild aus, dem eine wohlwollende und gnädige Vaterfigur zugrunde liegt) in sein Amt bestimmt wurde, gleichzeitig ein Tyrann zu einen Untergebenen sein?
Auf diese Weise arbeitest du dich durch die Zeilen und Strophen des Gedichts. Schreibe nun auf:
- Wo setzt Bürger Ironien ein, wo stellt er Fragen und an welchen Stellen fordert er ganz klar etwas?
- Kannst du Gefühle des lyrischen Ichs erschließen?
- Welche Gefühle sind das?
Schritt 2: Wie ist das Gedicht aufgebaut?
Die äußere Form solltest du zunächst einmal allgemein uns so grob wie möglich betrachten.
- Wie viele Strophen gibt es? Und wie viele Zeilen haben sie jeweils?
- Erinnert dich das Gedicht an ein Sonett, eine Ballade, eine Ode, ein Lied, ...?
Nun wirst du etwas genauer und schaust, wo sich etwas in dem Gedicht reimt.
- Findest du Endreime, wie sie in Liedern etc. oft üblich sind? (Hänschen klein - ging allein - in die weite Welt hinein.) Denke daran: Hier gibt es allerlei Arten von Reimen wie Paarreim (aabb), Kreuzreim (abab), umarmender Reim (abba), Schweifreim (aabccb), die dreifache Reimreihe (abcabc) und den Haufenreim (aaaaa...)
- Findest du Schlagreime - also direkt aufeinander folgende Wörter, sie sich reimen? (Schlagreime werden äußerst oft in Hip Hip und Rap verwendet.)
- Sind Binnenreime vorhanden (reimen sich mehrere Wörter in einer Zeile)?
- Findest du Assonanzen (also unreine Reime wie z.B. raben - sagen)?
- Zwei Assonanzen finden sich jedoch. Wo sind diese?
- Welche besondere Wichtigkeit bekommen somit die betroffenen Zeilen?
- Der Autor hat kein geläufiges Endreimschema verwendet, wie es bei dem normalen Volk damals besonders beliebt war. Wie kannst du dir das erklären?
Spätestens an dieser Stelle musst du dir ein Schmierzettel zur Hand nehmen, um das Versmaß des Gedichtes herauszufinden. Du kannst dazu einerseits das Gedicht laut lesen und, wenn du besondere Probleme hast, mitklatschen bzw. bei jeder Silbe auf den Tisch klopfen. Zur Erinnerung. Es gibt:
- Den Jambus (steigend): x x z.B. Gedicht
- Den Trochäus (fallend): x x z.B. Mutter
- Den Anapäst (steigend): x x x z.B. Anapäst
- Den Daktylus (fallend): x x x z.B. Daktylus
x x x x x x x x 4 Jamben
x x x x x x x x 4 Jamben
x x x x x x 3 Jamben
Stelle nun das Versmaß für die restlichen Strophen auf!
- Wo stößt du auf Unregelmäßigkeiten?
- Was möchte Bürger mit dem beinahe ausschließlich jambischen Versmaß ausdrücken und warum unterbricht er dieses Versmaß an einigen Stellen?
Schritt 3: Die lieben Stilmittel
Wo viele Schüler noch mit dem ersten und zweiten Schritt klar kommen, stell sie der dritte Schritt der Analyse auf blankes Glatteis. Die vielen Stilmittel und ihre Verwendung und Bedeutung legen wir dir nahe zu lernen, wie du auch Vokabeln lernst.
Idealerweise hast du dir ja schon in Schritt 1 auffällige Dinge, sowie die Ironien markiert. Wenn du das noch nicht getan hast, tue es jetzt. Achte dabei auf die geläufigsten Stilmittel, wie...
- Metaphern und Symbole
- Anaphern, Epiphern
- Ironien
- Rhetorische Fragen
- Allegorien und Apostrophen
Wenn du das komplette Gedicht mehrere Male auf der Suche nach Stilmitteln durchgegangen bist, solltest du dir alle entweder eindeutig markieren oder auf einem Schmierblatt folgendes niederschreiben (eine Tabelle eignet sich hier besonders gut):
- In welcher Zeile verwendet Bürger das Stilmittel?
- Was ist es für ein Stilmittel?
- Was soll das Stilmittel verdeutlichen, betonen?
- Warum hat sich Bürger entschieden, genau dieses Stilmittel an dieser Stelle zu verwenden?
Schritt 4: Interpretation und Zusammenführung
Nun begibst du dich auf den Königsweg der Gedichtinterpretation: die finale Interpretation. Wichtig ist es hier, nicht in Panik auszubrechen, sondern ruhig und kühl zu bleiben. Erinnere dich daran: Du hast nun mindestens eine Stunde (aber wahrscheinlich länger) Stilmittel und Form des Gedichtes untersucht und reichlich Fakten zusammen gesucht.
Stelle dir einfach nacheinander auf folgende Fragen Antworten und belege sie sorgfältig mit den vorher zusammen gesuchten Stilmitteln. Vergesse aber bitte nicht, Zeilen anzugeben, wenn du Textstellen zitierst!
- Worauf will der Autor in seinem Gedicht hinaus? Was ist seine Forderung / seine entgütige Feststellung oder Botschaft?
- Wie unterlegt er das durch die Stilmittel und den Aufbau des Gedichtes?
- Gesehen aus der Perspektive der Zeit in der das Gedicht entstanden ist (1778), was kannst du daraus schließen?
- Wen möchte der Autor besonders ansprechen?
Weiterführende Fragen
Nachdem du nun eine (hoffentlich) erfolgreiche Gedichtinterpreation verfassen konntest, kannst du dich auch anderen Fragen passend zu dem Gedicht widmen:
- Gibt es auch heute noch ähnliche Missstände, die man anprangern könnte, wie Gottfried August Bürger es in seinem Gedicht getan hat?
- Verfasse selbst ein Parallelgedicht passend zu deiner Zeit. Versuche jedoch den Stil Bürgers beizubehalten!
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