Die Ökologische Nische

Im Biologie-Unterricht der 12. Klasse stolpert man früher oder später über den Begriff Ökologische Nische. Viele Schüler sind zunächst verwirrt, wenn sie sich das erste Mal in Bereichen wie diesen versuchen zurecht zu finden - Ist der Bio-Unterricht doch plötzlich so vage und gleicht eher Interpretationen in Deutsch als mathematischen Gleichungen. Unser Tipp an Schüler ist daher: "Lasst euch auf das Thema ein! Ja, es kommt im Abi vor, ja, es erscheint erst vage und kindlich, aber es ein Teilbereich der Biologie, der sehr interessant ist und einige Schlüssel bietet, zu verstehen, wie sich das Leben entwickelt hat.

Was ist denn eine Ökologische Nische?

Die ökologische Nische stellt alle biotischen und abiotischen Faktoren dar, die eine Art zum Überleben braucht. Abiotische Faktoren sind alle "nicht-lebendigen" Faktoren, die man sich vorstellen kann, wie das Klima (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung, ...), der Boden (Ph-Wert, Körnung, Nährstoffgehalt, ...), das Licht (Länge, Wellenlänge und Stärke des Lichts) und Wasser (Ph-Wert, Vorkommen, Tiefe, ...).

Bestimmte Pflanzen beispielsweise erfordern einen leicht sauren Boden, einen Wuchsort fernab von Hängen und eine Sonneneinstrahlung von mindestens 7 Stunden am Tag. Doch allein durch die Erfüllung der abiotischen Faktoren kann die Pflanze nicht leben. Sie benötigt auch eine Möglichkeit, sich fortzupflanzen und genug freien Platz im Boden, um ihre Wurzeln auszubreiten.

Dinge wie letztere bezeichnet man als biotische, "lebendige" Faktoren. Zu den biotischen Faktoren gehören mögliche Fressfeinde, Nahrungsangebot, die Möglichkeit zur Fortpflanzung, intraspezifische Konkurrenz (Wettbewerb innerhalb einer Art um Ressourcen), interspezifische Konkurrenz (Wettbewerb zwischen verschiedenen Arten um Ressourcen), Symbiosen und Parasitismus.

Wie du siehst, ist eine Ökologische Nische nicht nur räumlich zu verstehen, sondern auf alle Rollen bezogen, die eine Art im Ökosystem einnimmt! Die Erforschung der Ökologischen Nischen von Arten dient unter anderem dazu, das wunderbare Zusammenspiel innerhalb eines Ökosystems zu verstehen.

Innerhalb des Biologie-Unterrichts wirst du dich meistens nur auf ein oder zwei Teilaspekte der Ökologischen Nische einer Art beschränken, beispielsweise die Nahrungsnische, Fortpflanzungsnische, Lebenraumnische, Brutplatznische, Jagdzeitnische und so weiter. Der Grund hierfür ist, dass es selbst für Experten schier unmöglich ist, die komplette Ökologische Nische einer Art zu erfassen.

  • Betrachte den Vogel auf dem Bild. Schau dir den Körperbau genau an und schreibe auf, was dir auffällt.
  • Informiere dich, wenn nötig mithilfe des Internets, über die Nahrungsnische des Kolibris sowie über seine Lebensraum-Nische und schreibe deine Erkenntnisse auf.
  • Siehst du einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Körperbau des Kolibris und seiner Nahrungsnische?


Wie kommt es zu einer Ökologischen Nische (Einnischung)?

  • Stell dir vor, du findest eine vollkommen von Vögeln unbewohnte Insel. Die Insel ist nur ein paar Quadratkilometer groß, üppig begrünt und gut mit Insekten aller Art bestückt. Zufällig hast du ein Paar Grünfinken dabei, die sich von allem möglichen wie Samen, kleinen Käfern, Raupen etc. ernähren. Du lässt die Vögel frei und kehrst nach hause zurück. Nach 50 Jahren kommst du wieder auf die Insel. Was könnte passiert sein?
  • Jetzt stell dir vor, du kommt erst nach 500 Jahren wieder. Was könnte nun passiert sein?
Ökologische Nischen hängen eng mit Themen der Evolution zusammen, da es, von ein paar Ausnahmen abgesehen, eine lange Zeit in Anspruch nimmt, bis sich eine Art eingenischt hat, also sich vollständig in ihre ökologische Nische eingefunden hat.

Das Szenario der einsamen Insel ist nicht so fern von der Realität, wie es zunächst scheint. Einst gab es Inseln, die bloß von Insekten und Pflanzen bewohnt waren. Beispielsweise die Galapagos-Inseln. Lange bevor Darwin diese Inseln und die nach ihm benannten Darwin Finken entdeckte, waren einmal ein Paar Finken-Vögel, durch welchen Zufall auch immer, auf das Inselsystem verschlagen worden.

Diese Vögel fanden auf der Insel genug Nahrung, Brutplätze und hatten außerdem keinerlei Konkurrenz. Die Finken-Population konnte daher immer weiter anwachsen, bis beispielsweise eines Tages alle geeigneten Brutplätze belegt waren und das Futter rar wurde. An dieser Stelle war es den Vögeln nicht mehr möglich, ihre Population weiter zu vergrößern.

Bis einige Vögel ihr Revier auf andere Teile der Insel (beispielsweise die Berge und der Strand) legten, oder auf andere Nachbarsinseln umzogen. Dort waren natürlich wieder genügend Brutplätze und Futter vorhanden, sodass auch dort die Finkenpopulation weiter gedeihen konnte.

Andere Lebensräume brachten jedoch auch andere Eigenschaften mit sich, was von dem Tier forderte, auf diese anderen Eigenschaften einzugehen. Wenn es beispielsweise kaum Insekten in einer Berggegend gab, wich ein Fink, der dort lebte, auf Samen aus. Das bedeutete aber auch, dass sein Schnabel, der auch auf den Verzehr von Insekten ausgelegt ist, nun eine überflüssige Funktion hatte. Viel sinnvoller wäre es für den Vogel, wenn er einen Schnabel hätte, der sich gut zum Samen-Fressen eignen würde.

Bedingt durch zufällige und ziellose Mutationen (oder genetische Variation) kam früher oder später ein Vogel zur Welt, der einen solchen, zum Samenverzehr hervorragend geeigneten Schnabel hatte. Dieser hatte es leichter als alle anderen Finken, die in dieser Gegend lebten, fand mehr Futter und konnte sich leichter fortpflanzen. Hatte also einen einen genetischen Vorteil gegenüber den anderen Finken, was ihn in der natürlichen Auslese bevorzugte. Ein Teil seiner Jungen hatte den gleichen Schnabel wie er, sodass sich bald eine neue, auf Samen spezialisierte, Art Finken bildete. Die Spezialisierung erlaubte den Finken, wieder andere Lebensräume zu erschließen und sich dort auszubreiten. Diesen spezialisierten Finken, war es nun möglich, eine Koexistenz mit den anderen Finken zu führen.

Diesen Vorgang nennt man auch adaptive Radiation. Genauer bezeichnet man als solche, wenn sich eine, weniger spezialisierte, Art in mehrere, stark spezialisierte, Arten auffächert.

  • Informiere dich genauer über die so genannten Darwin Finken und schaue dir Bilder zu diesem Thema an. Inwieweit passen die einzelnen Schnabelformen zu der Nahrung, die die Finken zu sich nehmen?
  • Befasse dich noch einmal mit Kolibris. Auch hier findest du starke Unterschiede zwischen den einzelnen Kolibri-Arten. Suche dir drei verschiedene Kolibris heraus und schreibe eine Vermutung dazu, wie es dazu kam, dass es verschiedene Arten von Kolibris gibt.


Wenn die gleiche Ökologische Nische beansprucht wird...

  • Angenommen, du reist in eine neue Welt und hast deine mäusefressende Katzen mit dir. Auf dem neuen Planeten, der der Erde verblüffend ähnlich ist, findest du mäuseähnliche Lebewesen sowie katzenähnliche Tiere, die sich von den Mäusen ernähren. Eines Tages entlaufen dir deine Katzen und leben wild auf diesem fremden Planeten. Auf lange Sicht gesehen - können die zwei Arten nebeneinander existieren?
  • Sammle ein paar Informationen über die Schäden, die normale, europäische Rotfüchse in Australien und Tasmanien anrichten!
Eines der wichtigsten Gesetze, das die Ökologie zu bieten hat, ist das Konkurrenzausschlussprinzip. Dieses besagt, dass niemals zwei verschiedene Arten exakt die gleiche Ökologische Nische (oder Teilnische) einnehmen kann, da sich stets die lebenstüchtigere Art (die fortpflanzungsfähigere etc.) der anderen gegenüber durchsetzen würde. Die andere Art würde als Folge entweder aussterben oder auf andere andere Ökologische Nische ausweichen.

Übertragen auf das Beispiel der Rotfüchse in Australien bedeutet das, dass die Füchse dort die gleiche Nahrungsnische einnehmen wie beispielsweise der Tasmanische Teufel. Der Tasmanische Teufel, auch Beutelteufel genannt, wurde daher von ganz Australien verbannt, da der wesentlich ökologisch potentere Fuchs seine Rolle übernahm. Auch auf Tasmanien ist der Beutelteufel heute bedroht, da anscheinend Rotfüchse auf die kleine Insel gelangt sind.

Dass die gleiche Ökologische Nische eingenommen wird ist also nicht nur intraspezisch (innerhalb einer Art) möglich, sondern auch interspezifisch, also zwischen völlig verschiedenen Arten wie dem Rotfuchs und dem Beutelteufel.

Das ganze nennt man Konvergenz. Konvergenz bedeutet, dass zwei Arten genau die gleiche Ökologische Nische beanspruchen, aber, laut des Konkurrenzausschlussprinzips, kann dies nur in einander getrennten Lebensräumen passieren, da ansonsten eine der Arten aussterben oder eine andere Nische beanspruchen würde. Konvergenz entwickelt sich also in einander sehr ähnlichen, jedoch voneinander getrennten, Gebieten. Beispielsweise in den Urwäldern von Südamerika und Afrika.





  • Vergleiche die drei verschiedenen Arten auf den drei Bildern ganz genau. Wo siehst du Ähnlichkeiten? Wo Unterschiede? Auf welche Nische zielen diese Bilder ab?
  • Erkläre die Begriffe der Ökologischen Nische, des Konkurrenzausschlussprinzips und der Konvergenz mithilfe der Bilder. Die abgebildeten Tiere sind ein südamerikanischer Kolibri, ein afrikanischer Nektarvogel und ein europäischer Kolibri-Schwärmer.

Bilder CC 2.0 by Hammer51012, Lip Kee, JoF

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